Diskussion möglicher Modellalternativen zur

Bewertung von Business Excellence

© H. Kirstein



Natürlich ist es die erklärte Absicht der EFQM, mit dem 'hauseigenen' EFQM-Modell Erfolg zu haben. Es gibt jedoch eine Reihe von Argumenten, andere Modelle anzuwenden; einige werden hier vorgestellt.

Sie sollen  den Organisationen helfen,  selbst angestellte Überlegungen, das EFQM- Modell auf eigene Belange maßzuschneidern. Denn das EFQM-Modell kann ausdrücklich auch Ausgangspunkt für eigene Überlegungen sein.  Die EFQM selbst hatte früher einen Vorschlag zur Diskussion gestellt, der über das jetzige Modell hinausging.


Abb. 1  Früherer Vorschlag für ein erweitertes Modell


Im Folgenden werden deshalb Denkansätze dargestellt, die helfen sollen, auch abweichende Überlegungen anzustellen, die im aktuellen Modell der EFQM nicht oder nicht in der gleichen Intensität enthalten sind. Diese Diskussionspunkte sind für Organisationen gedacht, die vom vorhandenen Modell aus verschiedenen Gründen abweichen wollen. Viele Organisationen machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, ein unternehmensspezifisches Modell einzusetzen.

Schließlich sei daran erinnert, daß es auch in Europa nach wie vor viele Firmen gibt, die sich nach dem MBNQA ausrichten.


Gründe für die Anwendung eines eigenen Modells


Es mag eine Reihe von Gründen geben, vom vorhandenen EFQM- Modell abzuweichen; einige davon könnten sein:

  1. Ein oder mehrere Kriterien des EFQM- Modells treffen für die eigene Organisation nicht zu

  2. Wesentliche gesichtspunkte der eigenen Organisation sind im EFQM- Modell unterrepräsentiert

  3. Die Gewichtung unter den Kriterien soll verändert werden

  4. Neue Kriterien sollen zugefügt werden

  5. Das EFQM- Modell ist zu einfach oder zu komplex im Vergleich zur eigenen Organisation


Mögliche Hauptänderungen


  1. Erweiterung von neun auf z.B. elf Kriterien: Partnerschaft wird bei den Befähigern und Ergebnissen neu hinzugefügt.

  2. Änderungen des grundlegenden Lay-outs


  1. Die Unterkriterien fallen weg und werden durch neu gefaßte Aufgabengebiete ersetzt.


  1. Die Bewertung erfolgt durchgehend in allen Kriterien nach den Vorgaben Ergebnisse - Vorgehen - Umsetzen - Bewertung und Review.



Hauptproblematiken bei Einführung eines abweichenden Modells


  1. Das EFQM- Modell ist durchaus voll funktionsfähig.


  1. Viele Unternehmen und Länder arbeiten mit dem Standard- EFQM- Modell, wodurch ein Vergleich in den Kriterien einfacher wird.


  1. Umsetzungsproblem mit einem unternehmensspezifischen Modell.



Diskussionspunkte im Vergleich zum Standard- Modell


Anzahl der Kriterien: bringen mehr Kriterien verbesserte Genauigkeit?

Die Aufnahme neuer Kriterienbegriffe muß nicht notwendigerweise bedeuten, auch die Anzahl der im Modell aufgeführten Kriterien zu erhöhen.

Die grundlegende Frage ist: wird durch die Erhöhung der Anzahl der Kriterien auch die Wertschöpfung des Modells erhöht, oder nur zusätzliche Komplexität in das Modell eingeführt. Der simplen Formel 'mehr Kriterien gleich höhere Qualität' des Modells kann sicher nicht ohne weiteres gefolgt werden. Es wird sicher immer eine Anzahl von Kriterien geben, die das Optimum aus Handhabbarkeit einerseits und Aussagedifferenzierung des Modells andererseits darstellt.

Erfahrungen im Assessment mit einer Vielzahl von Bewerbungen zeigen, daß schon bei neun Kriterien oftmals Redundanzen in der Beschreibung auftreten. Unternehmen sind bemüht, gleiche Sachverhalte an verschiedenen Stellen in den Befähigern und Resultaten aufzuführen, um alle Kriterien zu behandeln. Viele Kreuzreferenzen in Bewerbungen belegen diese Aussagen.

Mit einer steigenden Anzahl von Kriterien wird die Komplexität der Bewerbung zwangsläufig erhöht. Es wird noch schwieriger, Beschreibung den richtigen Kriterien zuzuordnen; und es wird schwieriger, die Bewerbungen zu beurteilen. Deshalb kann argumentiert werden, daß mehr Kriterien nicht den Wert des Modells in gleichem Maße wie seine Komplexität erhöhen (Der erfolgreiche amerikanische MBNQA kommt mit sieben Kriterien aus!). Deshalb sollte die bisherige Zahl von neun Kriterien nur bei überzeugenden Gründen erhöht werden.


Weglassen der Subkriterien ?

Im ersten Ansatz könnte man denken, daß durch Weglassen von Unterkriterien die Komplexität des Modells reduziert werden kann. Die Strukturierung des Modells wird loser, was beabsichtigt sein kann, aber gleichzeitig wird dadurch die Bewertung im Assessment erschwert. Hierdurch kann sich eine wesentliche Einschränkung ergeben, die die Glaubwürdigkeit eines Modells beeinträchtigt:


Schwierigere Bewertung --> schlechtere Wiederholbarkeit
--> reduzierte Akzeptanz --> fehlendes Vertrauen in das Modell


Aus gutem Grund ist ein möglicher Entfall von Subkriterien im jetzigen EFQM- Modell nicht realisiert worden.


Neue Kriterien

Schon öfter in der Diskussion sind die Begriffe 'Partnerschaft' und 'Innovation', die als eigenständige Hauptkriterien in das Modell aufgenommen werden könnten.

Der Begriff der partnerschaft bezieht sich nicht nur auf Lieferanten, sondern auch auf strategische Partnerschaften oder Vertriebsnetze. Für die Befähigerseite ist ein entsprechendes Kriterium denkbar; für die Ergebnisseite wird es schwierig sein, gesonderte Ergebnisse für diese Bereiche in quantitativer Form bereitzustellen. Deshalb spricht vieles dafür, die jetzige Lösung beizubehalten.

Da 'Innovation' in vielen Unternehmen zu den Hauptkernkompetenzen gehört, wird es für diese durchaus angebracht sein, Innovation als eigenständiges Kriterium herauszustellen, wenn ihnen die jetzige Darstellung unter Verwendung der Rückkoppelungspfeile nicht als ausreichend erscheint.


'Wissen' im Kriterium Mitarbeiter

Der Begriff 'Wissen' ist im Zusammenhang mit dem Begriff Mitarbeiter abgedeckt. Viele Organisationen befassen sich aber mit dem erweiterten Begriff 'Wissensmanagement' ('Knowledge management'). Da  kann es zweckmäßig sein, diesen auch explizit in das Modell aufzunehmen.


Kriterium 'Kundenfokussierte Prozesse'

Es gab Vorschläge, statt 'Prozesse' diese durch Einführung des Begriffes 'Kunden-fokussierte Prozesse' zu präzisieren, weil auf der Ergebnisseite es ein Kriterium für Kundenergebnisse gibt, dem ein Pendant auf der Befähigerseite fehlt. Das birgt eine große Gefahr in sich: wie aus den Ergebniskriterien abzuleiten ist, beziehen die Ergebnisse hauptsächlich auf externen Kunden. Damit würde der 'Interne kunde' weggelassen werden, was bedeutet, die Prozeßorientierung zu vernachlässigen. Der 'interne Kunde' ist ein wichtiger Begriff, um Prozesse im Unternehmen zu definieren, so daß diese Beschränkung auf die externen Kunden diesen Vorteil beseitigt und deshalb immer auch der interne Kunden einbezogen werden sollte. Man hat jetzt diesem Problem von anderer Seite – Produkte und Services – zu begegnen.


Abb. 2  Angepaßtes Modell einer deutschen Organisation


Zusätzliche Pfeile: Regelkreisprinzip

Die zusätzlichen Pfeile oben und unten machen das Modell zum Regelkreis.

Man kann überlegen, diese Pfeile wegzulassen, weil die Inhalte in den Kriterien abgedeckt werden oder aber die Pfeile mit neuen Inhalten zu erweitern, z.B. mit dem schon erwähnten Wissensmanagement.


Lay-out

Das Lay- out kann den verschiedenen Anforderungen zusammen mit dem Inhalt angepaßt werden. In der Tat gibt es hier eine Viel zahl von Variationen in den einzelnen Organisationen, wie das Beispiel zeigt.


Abb. 3  Angepaßtes Modell des Deutschen Herzzentrums



Die Balance zwischen Vergleichbarkeit mit anderen Anwendern und dem Wunsch nach eigener Spezialisierung sollte bei allen Änderungen dadurch gekennzeichnet sein, daß die beabsichtigten Änderungen nur im unbedingt als erforderlich angesehenen Umfang erfolgen sollten. Viele Organisationen wollen nicht nur eine Selbstbewertung vornehmen, sondern auch ihre Position im Markt erkennen ('Benchmarking'), was durch zunehmende Spezialisierung erschwert wird.


Ein weiteres Modell, das im wesentlichen die gleichen Inhalte anspricht, aber in der Struktur ganz anders aufgebaut ist, ist das amerikanische Modell des Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA). Damit ist gezeigt, daß man bei gleichwertigen Inhalten auch zu ganz anderen Modellen kommen kann.


Abb. 4  Das Modell des amerikanischen MBNQA


Die Organisationen können also nach Abwägen aller Einflußgrößen die Gestaltung eines spezifischen Modells in vielen Variationen vornehmen. Jede Lösung wird akzeptiert. Die einzige Situation, in der man das EFQM-Modell im Original anwenden muß, ist gegebne, wenn man sich um den European Excellence Award (EEA)  bewirbt.